Mit den beiden Gründern des ersten „Unverpackt“-Ladens in Karlsruhe diskutiert SEW-EURODRIVE über die Möglichkeiten der Müllreduktion – zuhause, im Handel und in den Produktionshallen der Verpackungsindustrie.
Während verpackungsfreies Einkaufen in vielen Ländern längst etabliert ist, führt dieser Trend hierzulande noch ein Nischendasein. Sie haben Ihre private Überzeugung zum Beruf gemacht und im Karlsruher Bahnhofsviertel einen Unverpackt-Laden eröffnet. Welche Widerstände hatten Sie dabei zu überwinden?
Antonia Wucknitz: Immer mehr Verbraucher möchten dem heutigen Verpackungswahnsinn entkommen und ökologischer konsumieren. Der Bedarf an Läden, die – wie wir – ihre Ware lose, in Spendersystemen, sogenannten Bulk Bins anbieten, steigt. In Deutschland existieren unter dem Label „Unverpackt“ mittlerweile 15 Geschäfte. Die Akzeptanz am Markt war für uns also weniger das Problem. Als größte Hürde haben sich die Verhandlungen mit den Lieferanten erwiesen. Hier mussten und müssen wir viel Überzeugungsarbeit leisten.
Inwiefern?
Andree Wucknitz: Großgebinde, wie wir sie benötigen, waren für die meisten Händler und Hersteller Neuland. Reis, Mehl und Flocken in 25 kg-Säcken? Gummibärchen im 15 kg-Paket? Auch unser Wunsch nach wiederverwendbaren Behältnissen, die nach der Reinigung vom Lieferanten neu befüllt werden, stieß anfänglich auf wenig Verständnis. Doch inzwischen haben wir eine Reihe von Lieferanten gefunden, die uns unterstützen und einmal im Monat ihre Abfüll- und Verpackungsanlagen von den handelsüblichen Einheiten auf die von uns gewünschten Mengen und Behältnisse umstellen. Oder eben die Ware manuell abfüllen.
Dies erfordert viel Flexibilität in den Produktionsprozessen. Herr Just, Sie sind Geschäftsfeldentwickler im Bereich Maschinenautomatisierung bei SEW-EURODRIVE. Kann Automatisierungstechnik hier helfen?
Klaus Just: Auf jeden Fall. Wollen die Hersteller und Lieferanten Anforderungen wie die von Unverpackt in Karlsruhe erfüllen, müssen sie vielfältige Verpackungsgebinde produzieren und verarbeiten – von der Massenware bis zur Losgröße 1. Das lässt sich wirtschaftlich nur mit äußerst anpassungsfähigen Anlagen realisieren. Unsere Antriebs- und Automatisierungstechnik bietet hier das benötigte Potenzial. Wir kennen die Prozesse und Anforderungen der abpackenden Industrie.
Andree Wucknitz: Wenn die Verpackungsbranche für Ihr Unternehmen einen so großen Stellenwert besitzt, wie stehen Sie dann zum Thema Umweltschutz und Verpackungsreduzierung. Lässt sich das überhaupt vereinbaren?
Klaus Just: Für uns ist das kein Widerspruch. Ökologische Konzepte eröffnen vielfältige neue Geschäftsmodelle. Bei Ihnen, bei den Produzenten der Waren und bei den Herstellern von Maschinen und Antriebskomponenten. Wir arbeiten schon heute mit unseren Kunden an der Entwicklung von Verpackungen und Abpackprozessen, die den Anforderungen nach Ressourceneinsparungen entsprechen.
Können Sie Beispiele für solche umweltschonenden Lösungen nennen?
Klaus Just: Ein wichtiger Hebel ist die Reduzierung von Verpackungsmaterial. Ein Beispiel: Maschinen vermessen mittels 3D-Scan die Ware und dimensionieren den Versandkarton exakt auf die Größe des Verpackungsguts. Damit lässt sich insbesondere im Onlinehandel viel Füllmaterial sparen. Oder neue Verfahren, bei denen dünnere und leistungsfähigere Folien nicht nur den Materialaufwand reduzieren, sondern auch energieintensive Verpackungsprozesse ersetzen. Wir berücksichtigen nicht nur die reine Verpackung, sondern den gesamten CO2 Footprint, den Verpackungen auf ihrem Weg vom Produzenten über die Händler bis hin zum Verbraucher verursachen. Insbesondere in den Produktions- und Logistikprozessen lässt sich mit energieeffizienten Maschinen und Antriebstechnologien viel Energie sparen und damit die Umwelt nachhaltig entlasten.
Wir sagen Danke für das interessante Gespräch. Ökologie und die Verpackungsindustrie: keine unvereinbaren Gegensätze. Wichtig ist jedoch, dass alle Beteiligten umdenken und nach neuen ressourcenschonenden Lösungen und Konzepten suchen. Und das geht nur gemeinsam.